Trompeten und Fanfaren! Wir sind jetzt offiziell eine Familie. Natürlich sind wir es auch schon lange davor gewesen, aber jetzt eben: offiziell, mit amtlichem Stempel, Brief und Siegel drauf. Meine Frau hat ihren Sohn adoptieren dürfen.
Mama & Mama
Diese unendliche Freude wollte ich schon vor langer, langer Zeit in die Welt hinausposaunt haben. Ich wollte euch längst erzählt haben, dass wir vor Glück fast durchgedreht sind. Dass wir die Welt hätten umarmen können und nach wie vor das Gefühl haben, um uns herum strahlt ein Lichtkranz in den leuchtendsten Regenbogenfarben. Na ihr wisst schon.
Doch es gab etwas, was mich davon abgehalten hat. Die 14 Monate, die wir der Adoption entgegengefiebert haben, hinterließen ihre Spuren. Wir sind Optimisten, keine Frage. Wir gucken voller Vorfreude in die Zukunft und sind der festen Überzeugung, dass alles gut wird. Nichts desto trotz ist es eben nicht einfach, 14 Monate lang mit der Frage zu leben
Was wäre, wenn?
Die Geburt verlief super, mit nichts anderem haben wir gerechnet. Doch die nächsten 14 Monate danach hat diese Frage uns täglich begleitet. Was wäre, wenn mir während der Geburt etwas passiert wäre? Was wäre, wenn bei meiner Not-OP als der Kleine 4 Monate alt war etwas passiert wäre? Was wäre, wenn mir oder dem Spender etwas passiert wäre, bevor wir unsere Einwilligung zur Adoption abgegeben hätten?
In den 14 Monaten vor der Stiefkindadoption hat meine Frau das sog. „Kleine Sorgerecht“ gehabt. Das bedeutet, dass sie in „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ mitentscheiden konnte: was er zu einer Vorsorgeuntersuchung anzieht, wie seine Freizeit gestaltet wird, wie hoch sein Taschengeld ausfällt. Doch bei „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ wie Erziehungsstil, Impfungen oder Operationen, ob und welche Krippe besucht wird usw. – was dann?
Bei der Geburt haben wir den Spender in der Geburtsurkunde nicht angegeben. Hauptsächlich deswegen nicht, weil die Entscheidung fürs Elterngeld in die Länge gezogen werden würde. Wir hätten nachweisen müssen, dass meiner Frau das Elterngeld zusteht, der Spender hätte nachweisen müssen, dass er seine Rechte darauf abtritt. Im Fall des Falles hätte meine Frau nichts alleine entscheiden können und überhaupt keine Rechte gehabt. Oder sie hätte immer alles mit dem Jugendamt bzw. mit dem Spender entscheiden müssen.
Nach einer gewissen Zeit haben wir eine neue Geburtsurkunde ausstellen lassen, auf der der Spender angegeben wurde. Damit konnte der Spender der Adoption zustimmen und der Prozess weitergehen. Zu diesem Zeitpunkt war meine Frau rein theoretisch völlig raus aus dem Spiel. Hätte ich mich z.B. getrennt, hätte sie gar keine Rechte gehabt. Natürlich ist es nicht etwas, was uns real beschäftigt hat – aber alleine zu wissen, dass es möglich gewesen wäre… Unheimlich.
Fremdbestimmt – die Besuche beim und vom Jugendamt
Zu den ganzen Unsicherheiten kamen noch das Gefühl, beäugt und beurteilt zu werden. Denn vor uns standen jetzt die Besuche beim und vom Jugendamt. Das erste Mal war meine Frau alleine dort um sich vorzustellen und einen möglichst guten Eindruck zu machen. Nicht, dass man sich für einen solchen Termin verstellen müsste, aber es ist einfach so, dass man sich geprüft fühlt. Die Angst, etwas falsches zu sagen oder zu machen ist immer mit dabei.
Wie auch beim zweiten Mal, als wir alle zusammen dort waren. Als die Dame vom Jugendamt mich fragte, ob ich gerne einen Tee hätte und ich Wasser gewünscht habe. Und sie erst ganz zum anderen Ende des Gebäudes laufen musste, um welches zu holen. War das jetzt „falsch“ von mir? Habe ich zu viel verlangt? Mich angestellt, mich unmöglich verhalten? Dann fällt der Bube auch noch hin! Habe ich ihn richtig getröstet? Genug getröstet? Zu viel getröstet?
Ähnlich irrationale Fragen auch beim Besuch des Jugendamtes bei uns zu Hause: sind wirklich alle Hundehaare überall weg? Nicht dass die Adoption deswegen nicht klappt weil unser Haus einen womöglich verwahrlosten Eindruck macht. Alle Kindersicherungen dran? Können wir schon alle Kinderlieder mitsingen, falls wir abgefragt werden? Auf die Frage der Dame vom Jugendamt zu wem der Bube läuft wenn er sich wehtut: haben wir richtig geantwortet? Habe ich zu viel geredet, hätte meine Frau mehr sagen müssen?
Die letzte Hürde stand noch an. Nachdem uns ein positives Gutachten erstellt wurde (Test bestanden!) hatten wir einen Termin beim Familiengericht. Könnte es wirklich noch passieren, dass der Adoption nicht zugestimmt wird? Was wäre wenn… Ein letztes Mal.
Ein letztes Mal von der Beurteilung und dem Wohlwollen einer Person abhängig zu sein, die uns nicht kennt. Ein letztes Mal von der Offenheit, Sympathie und letztendlich auch Willkür derer abhängig zu sein, die über unser Familienglück entscheiden dürfen.
Hoffentlich ein letztes Mal. Denn sollte unsere Familie wachsen, hoffen wir alle sehr diese Prozedur nicht noch einmal erleben zu müssen.
Meine Frau muss ihr eigenes Kind adoptieren
Ich wünsche uns Gleichstellung. Ich wünsche uns die Ehe für alle. Ich wünsche mir, nicht in einer diskriminierenden Sonderform der Familie leben zu müssen, die seit 16 Jahren immer und immer wieder verschlimmbessert wird aber weiterhin keine Gleichstellung bedeutet. Wobei halt: bei den Verpflichtungen sind wir sehr wohl gleichgestellt, nur nicht bei den Rechten. Ich möchte keine Privilegien. Ich möchte nur keine Benachteiligungen.
Und ich bin damit nicht allein: eine neue Umfrage der Antidiskriminierungsstelle zeigt, dass über 82% der Deutschen die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare befürwortet. Somit sind wir der Politik, die sich in dieser Frage immer noch vom Bauchgefühl leiten lässt, um Längen voraus.
Und was denkt ihr dazu?
Eure Meinung ist wichtig. Unterzeichnet die Petition Ehe für alle, teilt und kommentiert diesen Artikel, schaut euch diese Regenbogenfamilien an und macht gerne mit, wenn ihr selbst in einer lebt. Ich freue mich von euch zu hören und bin gespannt, wie ihr zu diesem Thema steht!