Ich war gestern in der Stadt unterwegs und prompt habe ich mich wieder daran erinnert, warum ich mir beim letzten Mal geschworen habe, es unter diesen Voraussetzungen nie wieder zu tun:
- Es ist zu kalt
Das bedeutet: Unterhemd, Oberteil, Jacke. Bestenfalls. Und das wiederum bedeutet: jedesmal mindestens drei Teile beim Anprobieren aus- und wieder anziehen zu müssen. Lästig. - Es ist zu kalt
Es ist fast Ende Juni. Es ist fast Sommer. Man weigert sich, einen Schal zu tragen. Und greift zu Hause trotzdem nach irgendeinem Oberteil mit einem Rollkragen oder sonstigem für die Anprobe äußert ungünstigen Ausschnitt. Und sieht schon nach der ersten Anprobe aus wie Tingeltangel-Bob. Sehr lästig. - Es regnet zwischendurch
Alleine die Vorstellung, links und rechts Tüten, alles zusammenkramen, Regenschirm aus der Tasche rausfummeln, aufspannen, paar Schritte gehen, Regenschirm wieder zumachen, ausschütteln und dann nicht wissen wohin mit dem nassen Teil – grauenhaft. Also ist der Regenschirm natürlich nie dabei. Und alle Menschen, die einen haben, gehen am liebsten unter Markisen und Vorsprüngen entlang, wahrscheinlich damit sie zumindest den Punkt mit dem nassen Teil überspringen können. Ober lästig. - Es ist Samstag
Ja, aber wann soll man denn sonst einkaufen gehen? Alles ist voll, nichts ist mehr nach Farbe oder Größe oder irgendwas sortiert, man muss bei der Anprobe anstehen, man muss an der Kasse anstehen, ja, man muss sogar im Gang anstehen, um überhaupt das vielversprechend aussehende Kleidungsstück aus der Nähe zu sehen. Endlich draußen freut man sich, dass es mal nicht regnet – und prompt wird man von einer Regenschirmspitze am Knie aufgespießt (s. Punkt 3). Arschlästig.
Und seit gestern habe ich einen neuen Punkt auf meiner Liste: Ich gehe nie wieder los, wenn ich eine Jeanshose suche. Zumindest solange nicht, bis die Schönheitsideale sich nicht zu meinem Vorteil verändert haben und die angebotenen Hosen breiter als lang sind.
Irgendwo in einer Frauenzeitschrift habe ich mal gelesen, dass es DER Trick für das Selbstbewusstsein sei, zwei Jeanshosen mit in die Anprobe zu nehmen: eine in der richtigen Größe und eine in einer Nummer größer. Man probiert erst mal die zu große an und tut überrascht dass sie viel zu groß ist. Dann wird die richtige Größe anprobiert und man freut sich, dass man so dünn ist. Für wie blöd halten diese Zeitschriften Frauen? Sind die noch ganz dicht? Und vor allem: wie unrealistisch ist das denn bitte?
Das wahre Leben sieht bei mir so aus: Ich will eine dunkle Jeanshose. Obenrum weder zu eng noch zu weit, untenrum weder zu eng noch zu weit. Keine ausgewaschenen Oberschenkel wären eine tolle Sache. Knöpfe anstatt Reisverschluss und ich gucke nicht einmal auf das Preisschild. Nicht aus Stretch, nicht verziert, keine besonderen Details – man könnte sagen, eine stinknormale Hose. Was nehme ich mit in die Kabine? Dunkle Hosen, helle Hosen, farbige Hosen, ausgewaschene Hosen, karierte, gestreifte, glänzende, elastische – alle Hosen, die es in meiner Größe gibt. Und mit meiner Größe meine ich einfach die größte Größe, die ich kriegen kann. Letztes Jahr habe ich um die 80 Hosen anprobiert. Und bin irgendwann auf Leggings umgestiegen, sie sind da einfach flexibler. Im wahrsten Sinne des Wortes. Mittlerweile versuche ich mich damit zu vertrösten, dass mein Körperbau einfach anders sein muss. So ein Latinading eben. Wenn deutsche Frauen ein bisschen aus der Form geraten, erinnern sie mich an meine damaligen Kartoffelmännchen in der Grundschule. Ein Kartoffelkörper mit Beinen aus Streichhölzern. Bei den Brasilianerinnen hingegen könnte man die Streichhölzer einfach weglassen. Einmal von Gisele Bündchen und ihrem wahrscheinlich außerirdischen Ursprung mal abgesehen.
Es ist also immer das gleiche: Ich freue mich, die Hose zuzubekommen. Und werde sofort mit der Realität konfrontiert: Nur weil die Hose zugeht, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch sitzt. Ich bin schon völlig außer Atem, denn ich musste mich ja mehrmals hin- und herzerren, um die Hose hochzubekommen. Der Bund sitzt total locker und ich habe Angst, dass die Nähte am Oberschenkel beim Niesen platzen. Eine Riesenbeule am Schritt, Falten hinter dem Knie und die Hose ist viel zu lang. Immer. Jedesmal.
Und immer, jedesmal, kaufe ich anstatt der Hose Dinge, die ich nicht brauche. Ungefähr im Wert der anprobierten Hosen, denn (Achtung! Frauenmathe) da ich sie nicht gekauft habe, habe ich ja den Betrag gespart. Diesmal: unter anderem meinen langersehnten, überall ausverkauften dunkelgrauen glitzerfreien Nagellack.

Die anderen vier im Bild standen so alleine rum und haben mir so leid getan, dass ich sie einfach mitnehmen musste.
.