Jeden Morgen das gleiche Programm.
Die schlechte Laune schon beim Aufwachen. Das Verweigern des Frühstücks. Das Geschrei beim Kämmen der vielen Locken. Der Kampf beim Anziehen der Uniform. Das Gemotze im Auto.
Nach drei Monaten haben sie es endlich aufgegeben. Meine Oma und meine Patentante, bei denen ich in Brasilien aufgewachsen bin, wollten es einfach nicht mehr. Mich vormittags in den Kindergarten bringen? Nein, danke – eine andere Lösung musste her.
Vielleicht hatte meine Abneigung auch etwas damit zu tun, dass das Gebäude des Kindergartens die Form eines Hundekopfes hatte und der Eingang das Maul war. Aber mit einem Kindergartenwechsel wurde das Problem von einem Tag auf den anderen gelöst – ich ging nachmittags durch eine ganz normale Tür hinein in den Kindergarten.
Die Nachmittage im Kindergarten und später auch in der Schule zu verbringen empfand ich als unendlich angenehm. Sie waren etwas, was ich nach meiner Auswanderung mit am meisten vermisst habe. Kompromisslos jeden Morgen pünktlich in der Schule zu sein – meine Eingewöhnung hier in Deutschland hat sich sehr, sehr lange hingezogen.
Jahre später war meine Freude riesig, als ich zum Anfang dieses Jahres die Möglichkeit hatte, den Lütten nachmittags in die Kita zu bringen. Drei Stunden am Tag, von 13:30 bis 16:30. Hach, was habe ich es mir großartig vorgestellt. Ausschlafen, ausgiebig frühstücken, gut gelaunt Richtung Kita hopsen, in der Zwischenzeit richtig was reißen und abends fröhlich und zufrieden ins Bett gehen. Harr. Harr.

Kindergarten am Nachmittag: Heute wird das nix.
Die Wirklichkeit sah so aus, dass ich direkt nach dem Aufwachen schon wusste: heute wird das alles nix.
Und so kam es, dass der Kleine in den ersten zwei Monaten keine drei Mal für die angedachte Zeit dort war. Er wachte morgens meistens so spät auf, dass ich wusste, sein Mittagsschlaf fällt genau in die Kitazeit. Ich fing an, gegen die Zeit zu kämpfen: früher ins Bett gehen, früher aufstehen, früher zum Mittagsschlaf hinlegen. Schneller Mittagessen, schneller anziehen, schneller zur Kita fahren. Es war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Meistens war er für 1-1,5 Stunden in der Kita. Und wenn wir es doch mal pünktlich schafften, weil er (verständlicherweise) genervt von meinen ewigen Einlull-Versuchen war und den Mittagsschlaf verweigerte, dann konnte ich mir sicher sein: ich musste ihn früher abholen, weil er dort vor Erschöpfung den Kopf auf den Tisch fallen ließ.
Ich wollte uns bis Mitte des Jahres etwas Zeit geben, uns mit der Situation zu arrangieren. Denn bisher war sie mehr als unbefriedigend. Ich möchte ihn morgens nicht „grundlos“ wecken. Ich möchte ihn nicht stundenlang versuchen ins Bett zu bringen, auch wenn er nicht müde ist und wir in der Zeit Schöneres machen könnten. Ich möchte ihn nicht so müde in die Kita schleppen. Ich möchte nicht jeden Tag mehrere Stunden damit verbringen zu denken „vielleicht klappt das heute doch noch“, um dann enttäuscht und – noch schlimmer – genervt zu sein.
Nach diesen anstrengenden acht Wochen spielten wir uns ein. Der Lütte machte einen Schub und verzichtete auf seinen Mittagsschlaf. Alle Probleme gelöst, dachte ich. Doch nachdem der Alltag einkehrte, machten sich plötzlich ganz andere bemerkbar.
Der Vormittag reichte nie aus, um zusammen etwas Gescheites zu unternehmen. Zum einen werden viele Dinge nur nachmittags angeboten, zum anderen haben Kinder von FreundInnen nur nachmittags Zeit.
Der Nachmittag reichte nie aus, um das zu tun, was ich mir vorgenommen hatte. Denn von den 3 Kitastunden blieben netto maximal 2,5. Minus einmal aufs Klo gehen, einmal dem Postboten die Tür aufmachen, einmal den Hund rauslassen, einmal die nassen Pfoten vorm Reinkommen abwischen, zack, musste ich ihn schon wieder abholen. Irgendetwas war immer.
Kurz vor unserem Urlaub ergab sich eine ganz neue Möglichkeit. Der Kleine fühlt sich in der Kita so wohl, er hat sich dort so gut eingelebt, dass er auch die Vormittagsgruppe besuchen darf, wenn wir es möchten. Und ja, das möchten wir.
Denn womöglich gibt es das doch. Die gute Laune schon beim Aufwachen. Den Appetit beim Frühstücken. Die Vorfreude beim Kämmen der glatten Haaren und beim Anziehen. Die Unterhaltung im Auto.
Oder etwa nicht? Was sagt ihr dazu?