Das Leben ist bunt! Und gleichzeitig unendlich spannend: heute gibt uns Familie Brunner aus Oberbayern ein Einblick in ihr Leben unter dem Regenbogen! Nachdem vor kurzem die Kinder von Regenbogenfamilien zu Wort kommen konnten, sind heute die Eltern an der Reihe.
Was hat das Outing ihrer Tochter für sie bedeutet? Wie hat sich ihr Leben dadurch verändert? Über Aufrichtigkeit, Zusammenhalt und Liebe: viel Spaß beim Lesen!

Hallo, wir sind die Familie Brunner aus Niederbayern.
Wir, das sind: mein Mann Anton, ich heiße Irmi, unsere Tochter 23, unsere Söhne 20 und 9, und die Oma, meine Schwiegermutter.
Wir wohnen auf einem nicht mehr bewirtschafteten, kleinen Bauernhof.

Wie sind deine Kinder aufgewachsen?

Mein Mann Anton und ich sind sehr jung Eltern geworden, mit 22 und 23 Jahren. Wir waren damals noch in der „wir machen alles anders als unsere Eltern-Phase“. Allein durch mein Aufwachsen als Mädchen mit drei Brüdern, wollten wir unserer Tochter alles ermöglichen, was sie möchte. Ob Latzhosen, Kleider, Autos, Puppen, wir waren da sehr neutral. Anton, mein Mann hat dann auch nach einem Jahr Elterndasein Erziehungsurlaub genommen. Er ist mit den Kindern in die Mutter-Kindgruppe, zum Kinderarzt, zum Schuhe kaufen gegangen und ich hab meine kleine Schneiderei aufgebaut.

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Hast du geahnt was kommen sollte?

Nein, eigentlich nicht. Unsere Tochter hatte sich zwar nie für Jungen interessiert, so wie gleichaltrige Mitsschülerinnen, aber als Anzeichen hab ich das nicht empfunden.

Plötzlich unter dem Regenbogen – wie empfandest du den Moment des Outings?

Leider wurde unsere Tochter durch einen Anruf der Theaterpädagogin des kleinstädtischen Theaters geoutet. Sie war damals in einem Jugendtheaterangebot mit dabei, der von dieser 10 Jahre älteren Theaterpädagogin(25 J.) geleitet wurde.
Diese fühlte sich von unserer T. gestalkt und wollte die Polizei einschalten, wenn wir unserer T. nicht verbieten, auch nur noch eine SMS zu schreiben.
Das ist alles nicht sehr gut gelaufen. Es war schrecklich. Nicht weil unser Kind lesbisch ist, sondern weil diese Frau so hart gesprochen hat, weil ich so Mitgefühl mit meinem Kind hatte. Unsere Tochter L. war schon mehrere Monate, glaub ich, in sie verliebt. Ich habe schon im Vorfeld gespürt, dass es ihr gar nicht gut ging. Ich habe sie auch drauf angesprochen. Sie sagte mir aber, das sie jetzt noch nicht drüber sprechen kann. Und dann kam dieser Anruf.
Ich war schon überrascht in dem Moment, schnell jedoch dachte ich mir: Es ist gut, eigentlich völllig klar.

Wie wie war deine Reaktion?

Anton und Ich haben natürlich gleich nach der Schule mit ihr geredet. Das war nicht leicht für uns, wussten wir doch, dass sie sich lieber selber, von sich aus, uns anvertraut hätte. Wir unterstützten sie so gut wir konnten. Wir haben das damals noch mit niemandem geteilt, wir wollten nur L. helfen.
Ich hatte sofort eine Riesenwut auf diese blöde Theaterpädagogin, die nicht mal das Rückrat besaß, als erwachsene Pädagogin mit unserem Kind zu reden. L. hätte einfach ein klares und freundliches nein gebraucht. Aber nein, diese blöde Tussi ruft die Eltern an. Ich merke, ich bin immer noch wütend. Ich wollte meine Tochter beschützen, verteidigen.

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Gab es Gespräche mit deiner Tochter?

Wir haben immer wieder mal mit L. geredet. Sehr behutsam. Sie war damals sehr verletzt und verletzlich. Sie sollte entscheiden, wann sie uns braucht. Diese unglückliche Liebe hing ihr eine Zeit lang nach.

Wie lange dauerte es, bis ihr wieder ein entspanntes Verhältnis zueinander hattet?

Richtig gut über ihre Homosexualität haben wir erst reden können, als der Liebeskummer und diese Art von geoutet werden verdaut war. Das waren dann immer sehr schöne, vertraute und interessante Gespräche, sind es noch.

Was für Gedanken und Sorgen hattest du zu der Zeit?

Ein starker Gedanke war der: Wie werden das unsere Eltern, ihre Großeltern finden. Die ältere Generation ist da ja nicht so offen und tolerant. Noch dazu im strengen katholischen Glauben aufgewachsen und lebend.

Wie gingen deine Verwandte und Freunde mit der Situation um?

Wir haben mit unserem größeren Sohn drüber gesprochen, obwohl er erst 13 war, wir waren immer schon sehr offen in unserer Familie. Auch mit engen Freundinnen habe ich drüber geredet.
Bei der Verwandtschaft haben wir das Thema vorerst gemieden.
Auf Wunsch von L. haben wir es den Großeltern gesagt, bevor uns ihre Partnerin das erste Mal besucht hat (wir wohnen mit Oma zusammen). Die Reaktion dieser Oma war sehr großes Erschrecken und Entsetzen. Dann fuhr spontan ein Auto auf unseren Hof, und seitdem ist die Liebesbeziehung ihrer Enkelin kein Thema mehr, totgeschwiegen, ignoriert, bis heute. Bei meinen Eltern herrschte die Hoffnung : Vielleicht geht’s vorbei? Wie sie wirklich dazu stehen und fühlen, weiß ich nicht. Wir reden ja nicht drüber.

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Das Kennenlernen: wie lief es ab? Was waren deine Gedanken?

Ja, sie hat sie im Internet kennengelernt, über Lesarion, glaub ich. Ihre Partnerin ist aus Trier. L. war damals noch nicht im Studium. Und die Mitte von Niederbayern und Trier war in etwa Stuttgart. Da haben sie sich das erste Mal getroffen, vor 5 Jahren. Diese Fahrt hat sie natürlich mit uns besprochen. Das war schon aufregend, damals, auch weil’s ja die erste Liebesbeziehung war. Ich freute mich so mit ihr, fühlte so mit. Verstehen sie sich gut? Kann das was werden? Hoffentlich geht es meiner Tochter gut? Ganz normale Mutter Gedanken halt.
Und dann habe ich immer Mal wieder was erzählt bekommen und angefangen, den Blog von ihrer Partnerin zu lesen, ihr über Telegramm zu schreiben und sie mir.

Ich mag sie sehr gerne, sie hat es nicht leicht gehabt im Leben. Anfangs fühlte ich Sorge, da kam schon manchmal der Gedanke, dass sie meiner Tochter nicht gut tut, belastend ist, durch die vielen Probleme die sie hat im Leben. Aber die beiden machen das so toll. Mit viel Offenheit und Behutsamkeit sind sie richtig schön zusammen gewachsen. Als wir uns dann das erste Mal gesehen haben, habe ich sie gleich gemocht. Jetzt fühle ich einfach Freude über die beiden.

Hast du Tipps für andere Eltern von Regenbogenfamilien, die in einer ähnlichen Situation sind?

Seid offen und tolerant. Das wichtigste für uns als Eltern ist doch, unsere Kinder zu begleiten, zu lieben, zu unterstützen, anzunehmen. Mit allem was zu Ihrem Sein gehört. Das Wesentliche ist doch, dass es unseren Kindern gut geht und sie glücklich sind und wir uns weiterhin gut mit Ihnen verstehen. Und wenn Kinder geplant sind, denkt dran, wie viele Paare schon nicht mehr auf „normalen Wege“ Kinder zeugen können, wie viele Paare schon in Kinderwunschzentren gehen, weil’s „nicht klappt“, wie viele Paare Pflege- oder Adoptivkinder aufnehmen. Opa oder Oma sind wir trotzdem.

Was wünscht du dir für deine Zukunft als Teil einer bunten Regenbogenfamilie?

Ich wünsche mir von Herzen, dass die Partnerin meiner Tochter als dazu gehörend gesehen wird. Dass meine Eltern und meine Schwiegermutter diese homosexuelle Beziehung, als genauso wertvoll und ernstzunehmend sehen, wie die anderer jungen Menschen. Ich wünsche mir, dass wir Familienfeste, in froher Runde feiern können, ohne dass diese Liebe jemand als Schande oder Sünde sieht.
Und ich wünsche mir Enkelkinder. Darauf freue ich mich schon sehr.

Nachtrag – in der Zwischenzeit ist einiges passiert…

Die beiden sind Anfang August zusammengezogen, erste gemeinsame Wohnung. Meine ganze Familie hat beim Umzug geholfen und wir haben die Eltern von meiner Schwiegertochter in spe kennengelernt. Meine Tochter hat ihrer Partnerin einen Heiratsantrag gemacht. Sie sind jetzt also verlobt. Ich freue mich so sehr für sie.

Die Liebe, meine Lieben, die Liebe! ♥

Wollt ihr auch mitmachen?

Ich freue mich immer über neue Familien (auch welche in spe), die mitmachen möchten. Und ein offenes Ohr für eure Fragen habe ich auch noch – falls ihr schon immer etwas über das Thema wissen wolltet, her damit!
Hier könnt ihr mich kontaktieren – ich freue mich von euch zu hören.