Wiiiir4 sind eine vierköpfige Regenbogenfamilie aus Osthessen. Zusammen mit unserer fünfjährigen Tochter und unserem vierjährigen Sohn reisen wir seit Juli 2020 mit unserem Wohnwagen für zehn Monate durch Europa. Wir wollen uns mit unserem Blog für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz von Regenbogenfamilien und genereller Vielfalt einsetzen.
https://wiiiir4.de/

Reisen als Regenbogenfamilie – die besten Tipps
Egal ob Wochenendtrip, Jahresurlaub oder Langzeitreise – mit Kindern solltest du die Reisevorbereitungen sorgfältig erledigen, um unliebsame Überraschungen während der lang ersehnten Tage zu vermeiden. Doch wie sieht es mit deiner Reiseplanung aus, wenn deine Familie nicht dem heteronormativen Weltbild entspricht? Im Nachfolgenden erzählen wir dir, worüber wir uns vor unserer Wohnwagenlangzeitreise als Regenbogenfamilie Gedanken gemacht haben und was auch du im Vorfeld abklären solltest.
Auf die innere Einstellung kommt es an
Noch immer gibt es in Deutschland viele nicht heterosexuelle Menschen, die sich im Alltag oder auf Reisen verstecken. Dafür gibt es viele Gründe und sie sind so vielschichtig, dass wir sie an dieser Stelle nicht alle aufzählen können. Auch in unserem Umfeld, haben wir das oft zähe Outing von Menschen miterlebt und die über allem schwebende Angst im Ausland, nicht vollends akzeptiert zu werden. Es gibt für uns schlussendlich nur zwei Möglichkeiten mit der eigenen sexuellen Orientierung umzugehen – sich verstecken oder selbstbewusst nach außen tragen. Wir haben uns schon sehr früh für den zweiten Weg entschieden und fahren sehr gut damit, auch im Umgang mit Fremden, jeden für uns wahrnehmbaren Zweifel im Keim zu ersticken. Das ist unsere Art die Gesellschaft auch während unserer Reise positiv zu beeinflussen. Jeden Tag „zeigen“ wir unserem Umfeld, dass es in einer lesbischen Beziehung grundsätzlich nicht mehr Andersartigkeiten zu beobachten gibt, als in jeder anderen Beziehung auch – unabhängig von allen Geschlechterkonstellationen. Wir haben bis heute noch keine einzige negative Reaktion während unserer Reisen erleben müssen. Gehe auch du offensiv mit deiner Sexualität um und du wirst sehen, dass es dich erleichtern und stärken wird.

Selbstbewusst mit Kind
Grundsätzlich können wir sagen, dass das nicht heterosexuelle Paar, bevor es das Thema Reisen angeht, schon sehr viele Hürden zusammen gemeistert hat. Euer (gemeinsames) Outing bei der Familie oder Freunden, verbunden mit positiven oder negativen Reaktionen, hat euch zusammengeschweißt. Auch den Kinderwunsch in die Tat umzusetzen, erfordert Mut, Selbstbewusstsein und viel Durchhaltevermögen. Immer wieder steht ihr vor euren Mitmenschen füreinander ein und repräsentiert so unbewusst das Bild der Regenbogenfamilien. Da kann euch ein gemeinsamer Urlaub nur guttun. Doch wohin könnt ihr fahren und welche Länder solltet ihr lieber meiden?

Wahl des Reiselandes
Noch immer gibt es 69 Staaten, in denen Homosexualität bis heute strafbar ist. In Iran, Saudi – Arabien, Jemen, Sudan, Somalia und Nigeria droht die Todesstrafe, wenn gleichgeschlechtlicher Sex praktiziert wird. In Mauretanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Pakistan und Afghanistan kann die Todesstrafe für gleichgeschlechtlichen Beischlaf verhängt werden. Hohe Haftstrafen drohen in sehr vielen Ländern auf homosexuelle Handlungen.
Quelle: https://ilga.org/downloads/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2019.pdf
Generell würden wir dir von Reisen in den mittleren Osten und auf die arabische Halbinsel, sowie nach Südostasien und Afrika abraten.
Wir haben zu jedem Land, das wir in der Vergangenheit bereist haben, gründlich recherchiert, wie die Gesetzeslage zum Thema Homosexualität und Regenbogenfamilien ist. Außerdem ist es wichtig, dass ihr euch über die politische Stimmung und die LGBTQ – Toleranz der Bevölkerung informiert. Aktuell sehen wir keine guten Tendenzen in Brasilien, Polen, Ungarn und Russland. Deswegen sind das momentan keine Reiseziele für uns.
Auf der Suche nach eurem perfekten Reiseziel hilft dir der Gay Travel Index von Spartacus Travel. Das Portal für schwules Reisen, bewertet in jedem Land den Umgang mit Diskriminierung und die Gesetzeslage zum Thema gleichgeschlechtlicher Ehe, sowie homosexuelle Adoption.
Im diesjährigen Ranking liegen Kanada, Malta, Schweden, Österreich, Argentinien, Niederlande, Spanien und Uruguay auf den vorderen Plätzen. Deutschland liegt auf einem guten 10 Platz, aber es gibt noch viel zu tun.
Quelle: https://spartacus.gayguide.travel/gaytravelindex.pdf
Eines der Hauptkriterien bei der Wahl unserer Reiseziele ist die Qualität der medizinischen Versorgung, sowie die schnelle ärztliche Erreichbarkeit vor Ort. Wir waren leider schon des Öfteren mit unseren Kindern Gast in fremden Krankenhäusern und sind heilfroh, dass wir in jedem Fall sehr gut medizinisch betreut wurden. Das Worst-Case-Szenario wäre die Nichtbehandlung unserer Kinder in einer Notfallsituation aufgrund unserer Sexualität. Deshalb können wir die oben genannten Länder nicht zweifelsfrei empfehlen.

Die richtige Unterkunft
Solltest du dich für ein Reiseziel entschieden haben und dich auf die Suche nach einer Unterkunft machen, kann ein Blick in die Hotel-, Ferienwohnung- oder Campingplatzbewertung sicher nicht schaden. Hier kannst du dir ein erstes Bild über die allgemeine Stimmung machen. Neben dem Attribut der allgemeinen Familienfreundlichkeit solltest du schauen, wie der zwischenmenschliche Umgang mit den Gästen ist. Ab und zu kannst du auch eine Bewertung zum Thema Diversität finden. Wenn wir in diesem Zusammenhang etwas negatives lesen, meiden wir diese Unterkunft. Uns persönlich ist eine solche Bewertung allerdings erst einmal untergekommen. Wenn du magst kannst du auch Portale oder Reisebüros nutzen, die sich auf LGBT Reisen spezialisiert haben.

Sicherheit und Selbstschutz
Eine der häufigsten Frage, die uns im Vorfeld und auch während des Reisens bisher gestellt wurde ist, ob wir als zwei Frauen keine Angst haben. Angst vor Überfällen oder Einbrüchen, vor Diebstählen und generell unsicheren Situationen. Gerade als Frauenpaar sind wir vermeintlich anfälliger für diese Szenarien. Dennoch lautet unsere Antwort immer: Nein! Natürlich haben wir Respekt vor solchen Vorstellungen und wir hoffen, dass uns in dieser Hinsicht nichts Schlimmes widerfährt. Aber wir sind keine ängstlichen Menschen. Trotzdem haben wir vorgesorgt. Unser Wohnwagen hat von uns ein Sicherheitsupgrade bekommen. Nun gibt es Fensteralarme, verstärkte Türschlösser und ein Kupplungsschloss. Zu unserer persönlichen Ausrüstung gehört auch ein gewisses Sicherheitsequipment wie zum Beispiel eine Gürteltasche, die in die Hose gesteckt wird. Auf welche Hilfsmittel du zurückgreifen willst, musst du individuell für dich je nach Vorhaben entscheiden.
Grundsätzlich achten wir genau auf unsere Umgebung – wir stehen im Regelfall in geschützten Räumen, also auf Campingplätzen. Dunkle und verlassen Gegenden kommen für uns genauso wenig als Stellplatz in Frage, wie Orte mit hohen Kriminalitätsraten. Hierbei ist es wichtig, dass ihr im Vorfeld exakt recherchiert, welcher Übernachtungsplatz für euch der richtige ist.
Wir waren vor Abreise bei unserer örtlichen Polizeidienststelle zu Besuch, um uns den ein oder anderen Tipp vom Fachpersonal mit auf den Weg geben zu lassen.
Sprecht auch mit euren Kindern über das Thema Sicherheit und mögliche Bedrohungen. Dabei gilt es keine Angst oder gar Panik zu verbreiten, sondern die Kleinen für das Thema Sicherheit sanft zu sensibilisieren. Unsere Kinder haben zum Beispiel immer eine kleine Gürteltasche mit Namen und Telefonnummern sowie eine kleine Notfallpfeife dabei.

Weniger ist mehr
Ob Regenbogenfamilie oder nicht – macht euch nicht so viel Stress während eures Urlaubes. Der Urlaub, den ihr ohne Kinder erlebt habt, wird so nie wiederkommen und das ist ja auch gut so. Aber bitte plant nicht jeden Tag minutiös durch. Jeden Tag Strand? Das ist vollkommen in Ordnung, wenn die Kinder beschäftigt sind und die Eltern einfach mal wieder dazu kommen ein Buch zu lesen. Oder kein Buch zu lesen und stattdessen nichts zu tun. Doch viele Familien wollen den Kindern und sich selbst etwas bieten. Eure Kleinen brauchen aber Zeit, um sich an einem neuen Ort zurecht zu finden. Schaltet einen Gang runter und lasst euch treiben. Baut einen Mittagsschlaf ein oder sitzt einfach mal da und schaut euch um. Das kann so erholsam sein und eure Kinder werden es euch mit Ausgeglichenheit danken.
Vernetzt euch
Ihr habt noch ungeklärte Fragen bezüglich des Reisens als Regenbogenfamilie? Scheut euch nicht andere Regenbogenfamilien zum Thema Reiseplanung anzuschreiben und um Rat zu fragen. Entweder sucht ihr im Internet (Instagram, Facebook, Blogbeiträge, etc.) nach Gleichgesinnten oder werdet selber vor Ort aktiv. Vielleicht gibt es in eurer Stadt ein regelmäßiges Regenbogenfamilientreffen zum gemeinsamen Spielen und Austauschen. Oder ihr gründet eine Gruppe selbst, so wie wir das in Zusammenarbeit mit anderen Regenbogenfamilien und der Adoptionsvermittlungsstelle gemacht haben.
Fazit
Nun habt ihr euer Reiseziel mit Bedacht ausgewählt, euch online über die örtlichen Gegebenheiten informiert und viele Pausen eingeplant. Jetzt braucht ihr nur noch Sonne, Ruhe, ausgeglichene und gesunde Kinder, sowie ganz viel Familienzeit. Eigentlich sind Regenbogenfamilien ganz genauso wie alle anderen Familien, aber nur fast. Aber vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem so ein Beitrag wie dieser hier überflüssig wird, weil alle Familien überall auf der Welt vollumfänglich politisch und gesellschaftlich akzeptiert sind. Dafür sollten wir jeden Tag sichtbar sein, ob auf Balkonien oder auf Reisen. Wir hoffen, dass wir euch ein Stück weiterhelfen konnten und wünschen euch eine gute Reise und allzeit freie Fahrt.
Das Leben ist bunt!
Dieser Beitrag ist im Rahmen meiner Serie von Interviews mit Regenbogenfamilien entstanden. Ich freue mich sehr über den Einblick und die vielen Tipps, die wiiiir4 Regenbogenfamilie auf Abenteuerreise mit uns heute zu dem Thema LGBTQ-Reisen teilen. Mädels, ich danke euch dafür und hoffe mit euch, dass wir uns solche Tipps bald nicht mehr geben müssen <3
Wollt ihr auch mitmachen?
Ich freue mich immer über neue Familien (auch solche in spe), die mitmachen möchten. Und ein offenes Ohr für eure Fragen habe ich auch noch – falls ihr schon immer etwas über das Thema wissen wolltet, her damit!
Hier könnt ihr mich kontaktieren – ich freue mich von euch zu hören.
